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Was bedeuten
die neuen Gesetze über Teledienste/Mediendienste für Internet
Service Provider?
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Stand: 31. 12. 1997
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Diese archivierte Fassung gibt nicht die aktuelle Gesetzeslage wider.
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Übersicht:
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Anwendungsbereiche
der "Multimedia-Gesetze" (MMG, vgl. Gesetze)
Haftung für reine
IP-Vermittlung
Sperrungsanordnungen
Sperrungsanordnungen
nach anderen Gesetzen
Sperrungsanordnungen
durch Staatsanwälte
Haftung für Newsgroups
Anwendung des TKG
Privatpersonen als "Anbieter"
Zulassungspflichtige
Angebote
Glossar
FAQ:
Rechtspflichten von Nutzern
Weitere Informationen zum Thema:
Staatsvertrag
über Mediendienste (MStV)
Amtliche
Begründung zum MStV
Informations-
und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG)
Amtliche
Begründung zum IuKDG
Hinweis: Bitte beachten Sie
das Glossar, in dem die hier verwendeten Ausdrücke
und Abkürzungen erläutert werden.
Fragen & Antworten
F: Für welche Fälle
gilt das TDG/IuKDG, für welche Fälle der MStV?
A: Der MStV gilt für Angebote,
die sich an die Allgemeinheit, also eine unbestimmte Zahl möglicher
NutzerInnen, richten. Das TDG/IuKDG gilt für Dienste, die der Individualkommunikation
nahestehen. Der Gesetzgeber regelt daher im TDG zum ersten Mal, daß
für individuelle Äußerungen ein anderer als der
Äußernde verantwortlich sein kann, und er gibt für die
Individualkommunikation erstmalig bestimmte inhaltliche Vorgaben. Gemeint
ist allerdings wohl nicht Individualkommunikation im eigentlichen Sinn
unmittelbarer, wechselseitiger, persönlicher Kommunikation "von Mensch
zu Mensch", sondern eher "wirtschaftsbezogene" Kommunikation, wie aus den
in § 2 Abs. 2 TDG genannten
Regelbeispielen hervorgeht.
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F: Für welche Angebote
im WWW haftet ein Internet Service Provider, der selbst nur IP-Connectivity
vermittelt?
A: Nach §§ 5 Abs. 3 MMG
haftet ein Provider, der ausschließlich Connectivity bereitstellt,
für die abrufbaren Inhalte nicht.
Die reine Zugangsvermittlung kann daher strafrechtlich nicht mehr zur Beihilfe
umkonstruiert werden, wie dies in Schreiben von Staatsanwaltschaften während
der letzten Jahre erwogen wurde.
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F: Gibt § 5 TDG
der Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer anderen Behörde das
Recht, von einem Provider die Sperrung fremder Seiten oder eines fremden
Servers zu verlangen?
A: Nein. Das gesamte TDG enthält
keine Vorschriften, die als sog. Ermächtigungsgrundlage Sperrungsanordnungen
erlauben. Wie § 5 Abs. 4 TDG
ausdrücklich klarstellt, können Sperrungen nur aufgrund anderer
Gesetze denkbar sein (vgl. dazu Stellungnahme der Bundesregierung auf eine
Kleine Anfrage von Bündnis 90/ Die Grünen, Bundestags-Drucksache
13/7757/97,
S.
14, Punkt 14. i). Auch Sperrungen nach anderen Gesetzen stehen stets
unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit und der technischen Möglichkeit,
da etwas Unzumutbares oder Unmögliches generell nicht verlangt werden
kann.
Allerdings ist zu beachten, daß
bei vorhandenen Ermächtigungen in anderen Gesetzen die Verantwortlichkeit
teilweise auf die Service Provider erweitert werden kann. Denkbar ist das
in Fällen, in denen bisher keine (eindeutige) Verantwortlichkeit
besteht. In solchen Fällen besteht die Möglichkeit, einen Service
Provider durch einfache Mitteilung "bösgläubig" zu machen. Die
Konsequenzen dieser Bösgläubigkeit sind allerdings auch nach
den neuen Gesetzen völlig unklar, vor allem ist offen, welche Rechtsschutzmöglichkeiten
gegen eine solche Information bzw. zu ihrer Überprüfung bestehen
und was geschieht, wenn keine Sperrung erfolgt.
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F: Sind Sperrungsanordnungen
nach anderen Gesetzen rechtlich möglich?
A: Ja. §
18 Abs. 2 und 3 MStV enthalten Ermächtigungsgrundlagen für
die nach Landesrecht zuständige Aufsichtsbehörde (Landesmedienanstalt,
Innenministerium, Landesverwaltungsamt oder andere Behörden). Danach
kann bei einem Verstoß gegen die wesentlichen Vorschriften des MStV
sowohl der Provider zur Sperrung von Seiten auf seinem Server als auch
zur Sperrung fremder Angebote gezwungen werden, sofern diese Maßnahme
verhältnismäßig ist. Eine Untersagung von Angeboten darf
nur angeordnet werden, wenn ihr Zweck nicht anders erreichbar ist. Sie
hat den geringstmöglichen Umfang einzuhalten. Es ist also unzulässig,
ganze Angebote zu untersagen, weil einzelne Seiten rechtswidrig sind.
Weitere Ermächtigungsgrundlagen
für Sperrungen könnten die Polizeigesetze der Länder durch
ihre "Generalklauseln" ergeben. Es ist juristisch umstritten, ob das Bestehen
einer Spezialermächtigung (wie in §
5 MStV) die Anwendung der Generalklauseln ausschließt. Jedenfalls
dürfte eine Anordnung, die nach § 5 MStV unzulässig ist,
nicht aufgrund der Generalklauseln zu rechtfertigen sein.
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F: Dürfen Staatsanwälte
Sperrungen oder Untersagungen anordnen?
A: Nein. Aus der Strafprozeßordnung
ergibt sich keinerlei Rechtsgrundlage für solche Anordnungen. Das
TDG enthält ebenfalls keine Ermächtigung für die Staatsanwaltschaft.
Nach dem MStV und den Polizeigesetzen sind nicht die Staatsanwaltschaften,
sondern andere Behörden mit der Durchführung der Aufsicht betraut.
Andere Ermächtigungsgrundlagen für derartige Eingriffe bestehen
nicht. Auch aus grundsätzlichen Kompetenzüberlegungen ist eine
Anordnung vorbeugender Maßnahmen durch die Strafverfolgungsbehörden
unzulässig, da es sich um Gefahrenabwehrmaßnahmen handelt, die
allein den Polizeibehörden, also den allgemeinen und besonderen Verwaltungsbehörden,
obliegen. Staatsanwälte sind ausschließlich für die Verfolgung
von (bereits geschehenen) Straftaten zuständig.
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F: Nach welchen Vorschriften
haftet ein Internet Service Provider für die Bereitstellung von Newsgroups?
A: Die rechtliche Behandlung von
Newsgroups ist weiterhin unklar. Auf den ersten Blick könnte es
sich bei den Gruppen oder den dort vorliegenden Beiträgen um "fremde
Inhalte, die sie (= Provider) zur Nutzung bereithalten", handeln. Für
derartige Beiträge haften Provider nach § 5 Abs. 2 MStV nur,
"wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich
und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern". Dafür spricht die
Amtliche
Begründung zum IuKDG (B.,
§ 5, Zu Absatz 2).
Fraglich ist allerdings, ob es sich
bei News um Inhalte handelt, die die Provider "zur Nutzung bereithalten".
In Betracht kommt nämlich auch, Newsgroups als "fremde Inhalte" zu
betrachten, zu denen die Provider "lediglich den Zugang zur Nutzung vermitteln"
(§ 5 Abs. 3 Satz 1 MMG).
Dabei ist zu beachten, daß nach § 5 Abs. 3 Satz 2 MMG "eine
automatische und kurzzeitige Vorhaltung fremder Inhalte aufgrund Nutzerabfrage"
als Zugangsvermittlung gilt. Diese Vorschrift ist zwar auf Proxy-Server
und Caches zugeschnitten, trifft jedoch im Wortsinn auch auf das News-System
zu, sofern die Beiträge relativ schnell "expiren". Diese Auslegung
würde auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (Schutz der
Meinungsfreiheit und des freien Informationsflusses) den offenkundig von
den Gesetzgebern nicht beachteten Besonderheiten des News-Systems am ehesten
gerecht.
Allerdings ist zu beachten, daß
sich auch in der Stellungnahme des Bundesrates
zum IuKDG ein Hinweis
darauf findet, daß "News-Gruppen" nach § 5 Abs. 2 MStV zu behandeln
sind.
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F: Können Vorschriften
des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und der MMG parallel auf Provider
angewendet werden?
A: TKG und MMG schließen sich
nicht gegenseitig in der Anwendbarkeit aus. Während das TKG die
technische und wettbewerbsrechtliche Seite der Kommunikation regelt, behandeln
TDG und MStV vor allem die inhaltliche Seite. Schwierige Abgrenzungsfragen
ergeben sich jedoch bei den Regelungen über den Datenschutz, sofern
Provider gleichzeitig neben der IP-Vermittlung auch eigene inhaltliche
Angebote zur Nutzung bereithalten. Als Telekommunikationsdienstleister
unterliegt der ISP dann den Vorschriften des TKG, als Anbieter von Tele-/
Mediendiensten dem TDDSG/ MStV. Die datenschutzrechtlichen Vorschriften
unterscheiden sich jedoch deutlich. Im Zweifel ist nach dem Grundsatz des
Vorrangs des jüngeren und spezielleren Gesetzes auf TDDSG/ MStV zurückzugreifen.
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F: Sind auch Privatpersonen
"Anbieter" im Sinne der Gesetze?
A: Die Vorschriften in IuKDG und MStV
setzen voraus, daß es sich bei dem Betroffenen um einen "Anbieter"
handelt. Anbieter ist, wer eigene oder fremde Teledienste bzw. Mediendienste
zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt.
Tele-/ Mediendienste sind an die Allgemeinheit gerichtete Informations-
und Kommunikationsdienste in Text, Ton oder Bild, die unter Benutzung elektromagnetischer
Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines
Leiters verbreitet werden.
Diesen Definitionen kann weder der
Laie noch die Expertin eine hinreichend sichere Bestimmung entnehmen, welche
Angebotsformen den Vorschriften der MMG unterliegen. Es muß daher
versucht werden, den Anwendungsbereich aus dem Sinn der Vorschriften abzuleiten.
Danach wage ich folgende Thesen:
-
Anbieter von WWW-Seiten ist jeder, ob
Privatperson oder Institution, der WWW-Seiten bereitstellt in dem Sinn,
daß er die Verantwortung für ihren Inhalt übernimmt, sofern
die Seiten ein Mindestmaß an Informationsgehalt haben.
-
Anbieter ist dagegen nicht, wer Äußerungen
macht, die ihrem Charakter nach kurzfristigen, schnellebigen, spontanen
Charakter haben, sei es über E-Mail, im IRC, in Chat-Foren (auch WWW-gestützten)
oder im Usenet. Derartige Äußerungen entsprechen Äußerungen
im persönlichen Umfeld (Gespräch, Stammtischrunde u. ä.)
und können nicht den relativ strengen Anforderungen der MMG unterworfen
werden, ohne daß ein Einschüchterungseffekt eintritt.
-
Problematisch ist, daß auch der
Vermittler von Seiten Dritter als Anbieter dieser Seiten gilt (Angebot
fremder Seiten nach § 5 Abs.
2, 3 MMG). Juristisch ist fraglich, ob es rechtmläßig und
zweckmäßig ist, die Verantwortlichkeit danach zu beurteilen,
ob ein Angebot mehr oder weniger zufällig auf dem eigenen Server oder
auf dem Web-Hosting-Server eines Providers liegt. Für die Verantwortlichkeit
des Providers in polizeirechtlicher Hinsicht spricht allerdings, daß
- insbesondere bei anonym veröffentlichten Angeboten - ohne Mitwirkung
des Providers keine Möglichkeit zur Sperrung oder Löschung rechtswidriger
Angebote besteht. Insoweit haftet der Provider aber nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen
Grundsätzen sowieso, so daß der Sinn der Vorschriften fraglich
bleibt. Sinnvoll wäre es meines Erachtens, individuelle Web-Seiten,
die nach ihrer Gestaltung nicht Teil eines größeren Angebotes
(bswp. Online-Dienst) sind, nur dem eigentlichen Urheber zuzurechnen und
den Provider nur hilfsweise für die Sperrung in die Haftung zu nehmen,
wenn er die Einstellung anonymer Web-Seiten ermöglicht.
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F: Gibt es nach Verabschiedung
von TDG und MStV eine Pflicht, für bestimmte Angebote im Internet
über eine behördliche Zulassung zu verfügen?
A: Ja. Grundsätzlich ist
denkbar, daß Angebote im Internet nicht der Zulassungsfreiheit nach
§§ 4 MMG unterfallen, sondern nach §
20 Abs. 2 RStV einer Zulassung bedürfen, weil sie "dem Rundfunk
zuzuordnen" sind. Derartige Angebote finden sich beispielsweise unter http://www.dasding.de
im Internet. Dienste, die einen ununterbrochenen Datenstrom (RealAudio
o. ä.) anbieten, der sowohl vom Erscheinungsbild als auch nach dem
Inhalt "klassischem" Rundfunk entspricht, unterliegen den Zulassungserfordernissen
des Rundfunkstaatsvertrages. Die Abgrenzung ist nach den jetzt geltenden
Gesetzen nicht nach präzisen Kriterien möglich, weil schon die
Begriffsbestimmung » von Tele-/
Mediendiensten kaum von der des Rundfunks zu trennen ist. Die Aufsichtspraxis
der Landesmedienanstalten ist zu dieser Frage noch in der Entwicklung begriffen,
zumal Dienste im Internet über (derzeit noch) keine allzu hohe Meinungsrelevanz
verfügen.
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©
Patrick Mayer, 1998 / Alle Rechte vorbehalten / Stand 1998-03-31 / URL:
http://www.artikel5.de/archiv/artikel/faq-isp.html
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