von Dr. Patrick Mayer
Stand: 03.12.2000
Bezug: Satzung über die Zugangsfreiheit zu digitalen Diensten
Inhaltsübersicht:
I.
Zielsetzung
II.
Begriffsdefinitionen
1. ZugangsdiensteIII. Anforderungen und Verpflichtungen nach der Satzung
2. Berechtigte
1. Rechtsschutz für den BerechtigtenVI. Bewertung der Satzung
2. Rechtsschutz für den Verpflichteten
1. Zugangsdienste
Die Definition in § 1 Abs. 2 der Satzung faßt unter den Begriff "Dienste und Systeme, die - unabhängig von deren Übertragungsmedium - der Herstellung, dem Transport, der Vermarktung oder dem Empfang digitaler Datenströme über dazu bestimmte Teilnehmerendgeräte (Decoder)" dienen, soweit Fernsehdienste übermittelt werden. Rechtstatsächlich wird der Zugang zum digitalen Fernsehen zum einen durch die Kontrolle des physischen Zugangsweges, also das Eigentum an Netzen oder Sendeanlagen (Satelliten-, terrestrische Sendeanlagen) beherrscht. Von wesentlicher Bedeutung ist zum anderen die Kontrolle eines Verschlüsselungssystems für die übermittelten Signale (Conditional Access - CA [engl.]). Bei der Programmausstrahlung durch die Rundfunkveranstalter selbst werden CA-Systeme vor allem zum Schutz von und zur Zugangskontrolle bei Pay-TV-Angeboten wie Premiereworld verwendet. Zunehmend begnügen sich aber auch Kabelanlagenbetreiber nicht mehr mit ihrer reinen Transportfunktion, sondern wollen Programmsignale selbst verschlüsseln (einschließlich der von den Veranstaltern als "Free TV" ohne Nutzungsgebühren für die Zuschauer angebotenen Programme), um an der Wertschöpfung dieser Programme direkt beteiligt zu werden.
a) Unter "Dienste und Systeme" sind technische Vorrichtungen aller Art zu verstehen, die der Kontrolle des Datenstroms durch einen Informationsmittler (Sendeanlagen- oder Plattformbetreiber) dienen. Während in offenen Netzen keine Kontrolle des Datenflusses durch den Netzbetreiber erfolgt und die Anbieter sich darauf beschränken, den Zugang zu ihren eigenen Angeboten zu erfassen und ggf. zu kontrollieren (bspw. zur Gebührenerhebung), hat sich im digitalen Fernsehen faktisch ein Modell durchgesetzt, bei dem Netz- oder Plattformanbieter auch fremde Dienste kontrollieren wollen und können. Diese Machtstellung muß zur Verhinderung von Mißbrauch kontrolliert werden und wird daher rechtlichen Regelungen unterworfen.
b) Mit der Einbeziehung von Diensten, die "der Herstellung, dem Transport, der Vermarktung oder dem Empfang digitaler Datenströme" dienen, wird der Definitionsbereich erstreckt auf Betreiber bzw. Anbieter vonAlle Anbieter solcher Dienste unterliegen den Anforderungen und Verpflichtungen der Satzung.
- Multiplexen, in denen die einzelnen Programmsignale der Anbieter gebündelt und zu einem standardgerechten Gesamtdatenstrom zusammengeführt werden;
Playout-Centern, in denen die Datenströme für die Satelliten- oder Kabelnetzverbreitung aufbereitet und ausgesandt werden;
- digital ausgerüsteten Kabelanlagen (bzw. Teilen davon), die der Verbreitung von Programmsignalen Dritter dienen;
- gebündelten Programmpaketen, in denen Einzelprogramme nach den Vermarktungsinteressen des Anbieters oder Plattformbetreibers zur gemeinsamen Vermarktung zusammengefaßt werden;
- Programmplattformen, auf denen unterschiedliche Programmangebote unter einer einheitlichen Sendetechnik und Gestaltung angeboten werden;
- Vermarktungsplattformen, auf denen Programme unterschiedlicher Anbieter gemeinsam vermarktet werden;
CA-Systemen (einschließlich Subscriber Management und Subscriber Authorisation Systems, SMS/SAS), mit denen der Zugang zu den Programmen kontrolliert und Abrechnungsfunktionen erbracht werden.
2. Berechtigte
Von der Satzung begünstigt sind die Nutzer von Zugangsdiensten. Dies sind alle Veranstalter oder Vermarkter eigener oder fremder Fernsehprogramme und begleitenden Angebote, die Zugangsdienste in Anspruch nehmen wollen, § 3 der Satzung.
Zur Sicherung der Chancengleichheit des Zugangs kann hingegen gerade eine Preisdifferenzierung erforderlich sein. Dies wird an den explizit erwähnten regionalen TV-Angeboten deutlich, die aufgrund geringerer Reichweitenerwartungen nicht die Vergütungen bundesweiter Programme aufbringen können. Entsprechendes gilt für alle Arten von Spartenprogrammen.
Mit §§
13 Abs. 4, 15 Abs. 4
enthält die Satzung Regelungen, die im Gegensatz zu den Vorschriften,
die konkurrierende Programmplattformen begünstigen, schon in nächster
Zukunft von Bedeutung sein werden. Während konkurrierende Pay-TV-Plattformen
auf dem deutschen TV-Markt derzeit nicht zu erwarten sind, regeln diese
Vorschriften nämlich die bereits heute strittige Öffnung des
Endgerätemarktes. Bisher konnten die KirchGruppe und die Deutsche
Telekom AG durch die verwendete Verschlüsselungstechnologie und die
Exklusivität von Programmrechten ein Endgerätemonopol für
die d-box durchsetzen. Die Satzung sieht in den genannten jetzt Vorschriften
vor, nach denen marktbeherrschende, vertikal integrierte Anbieter von
Programmen und Zugangsdiensten ihre Programme auch über dritte
Dekodersysteme empfangbar machen müssen. Die Landesmedienanstalten
greifen damit eine öffentliche Forderung auf, die auch im Verfahren
der Europäischen Kommission über die Beteiligung von BSkyB
an der KirchGruppe eine wesentliche Rolle spielte. Die KirchGruppe
und wohl auch die Deutsche Telekom AG müssen daher für die von
ihnen angebotenen Programme die Voraussetzungen zur Nutzbarkeit über
Fremddekoder herbeiführen. Eine wichtige Forderung insbesondere
der Gerätehersteller, aber auch von Interessenvertretungen wie dem
Free
Universe Network e.V. (FUN) wird damit erfüllt. Die zuständige
Landesmedienanstalt kann zur Herstellung der erforderlichen technischen
Voraussetzungen nach der Übergangsvorschrift des §
16 Abs. 1 der Satzung eine Frist bestimmen. Denkbare Verfahren sind
insbesondere die Verschlüsselung mit mehreren Schlüsseln (Simulcrypt)
oder die Herstellung der Nutzbarkeit des Kirch'schen Verschlüsselungssystems
durch Dekoder dritter Hersteller mittels Common Interface (CI).
Die Landesmedienanstalten präferieren offenbar die letztgenannte Lösung,
ohne sich jedoch darauf verbindlich festlegen zu wollen (vgl. §
13 Abs. 1 Satz 3 der Satzung).
1. Rechtsschutz für den Berechtigten
a) Verwaltungsrechtliche Vorgehensweise
Der Berechtigte kann zunächst die in der Satzung selbst vorgesehenen Verfahren der Offenlegung technischer Parameter und Entgelte (§ 7 der Satzung) und das Beschwerdeverfahren (§ 9 der Satzung) einleiten. Zum Beschwerdeverfahren ist allerdings erforderlich, daß ein "Veranstalter" handelt. Die Satzung läßt offen, ob davon alle Berechtigte nach § 3 der Satzung umfaßt sind oder ob das Beschwerderecht mit dem Begriff auf zugelassene Rundfunkveranstalter eingeengt werden soll.Auszugehen ist davon, daß mit "Veranstalter" jeder Berechtigte im Sinne der Satzung gemeint ist. Denn es ist nicht anzunehmen, daß der Dreh- und Angelpunkt der Satzung, das Beschwerderecht, in Abweichung vom ansonsten weiten Wortlaut der Berechtigungen auf zugelassene Veranstalter eingeengt werden sollte. Vielmehr kann jeder Berechtigte das Verfahren einleiten und die moderierende und letztlich beaufsichtigende Rolle der zuständigen Landesmedienanstalt in Anspruch nehmen.
Die Landesmedienanstalt ist bei Einleitung eines Beschwerdeverfahrens berechtigt und verpflichtet,
Sollten derartige Maßnahmen nicht ergriffen werden, steht dem Berechtigten der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg zur Erzwingung eines satzungsgemäßen Vorgehens der Landesmedienanstalt offen (Verpflichtungs- oder Bescheidungsklage). Gegen ablehnende Bescheide der Landesmedienanstalt ist das Rechtsmittel der Anfechtungsklage gegeben.die geltend gemachten Ansprüche des Beschwerdeführers zu prüfen und gegebenenfalls nach fruchtlosem Ablauf der Abhilfefrist selbst geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. b) Zivilrechtliche Vorgehensweise
Zivilrechtliche Ansprüche gegen den Verpflichteten können im Wege wettbewerbs- oder kartellrechtlicher Verfahren geltend gemacht werden. In Betracht kommt zum einen bei einer unmittelbaren Wettbewerbssituation zwischen dem Verpflichteten und dem Berechtigten ein Vorgehen aus§§ 1, 3 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch. Zum anderen sind auch die Mißbrauchstatbestände des GWB anwendbar, wenn es sich bei dem Verpflichteten um ein marktstarkes Unternehmen handelt. Der zivilrechtliche Rechtsschutz wird durch die Möglichkeit eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens nicht ausgeschlossen.
2. Rechtsschutz für den Verpflichteten
Der Verpflichtete kann sich gegen Maßnahmen der Landesmedienanstalt durch Widerspruch und ggf. Anfechtungs- oder Feststellungsklage verwaltungsrechtlich zur Wehr setzen. Seine Klage kann aufschiebende Wirkung haben, denkbar ist aber auch die Anordnung sofortigen Vollzugs von Maßnahmen der Landesmedienanstalt aufgrund der hohen Bedeutung der Zugangssicherung für die Meinungsvielfalt.
Weitere Fragen im schwierigen Verhältnis von Kabelanlagenbetreibern, Programmveranstaltern und Plattformbetreibern kann die Satzung aufgrund der begrenzten Ermächtigung durch § 53 RStV selbst nicht klären. So bleibt die Satzung etwa Antworten auf die Frage schuldig, ob ein Kabelanlagenbetreiber in eigener Regie Free- und/oder Pay-TV-Programme entbündeln und neu zu digitalen Paketen zusammenstellen und den Nutzern gesondert in Rechnung stellen darf. Diese Fragen haben nicht nur urheberrechtlichen Charakter, sondern berühren auch die Rundfunkfreiheit.
Dennoch enthält die Satzung
insbesondere mit §§
13 Abs. 4, 15 Abs. 4
Regelungen, die angesichts der Unwahrscheinlichkeit zusätzlicher Programmplattformen
schon in nächster Zukunft von Bedeutung sein werden. Es bleibt abzuwarten,
ob die Landesmedienanstalten tatsächlich die Kraft aufbringen, die
Öffnung der Märkte für digitalen Rundfunk zu verbessern,
oder ob sie die Standortpolitik in den Vordergrund stellen werden.
|
|
|
|
|
|
|
[Hilfe] |
|
|
|