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Neuregulierung im Bereich der Telekommunikation ... (SEMINA03.HTM)
Die Jahre 1996 und 1997 brachten und bringen erhebliche Änderungen in der Rechtslage für alle kommunikationbezogenen Tätigkeiten. Die weitgehende Freigabe der Telekommunikation für privates Engagement geht einher mit dem Bedürfnis der Re-Regulierung: neu entstehende Konflikte, die sich aus der Umstrukturierung eines hoheitlichen Monopols (mit einem entsprechend marktstarken Anbieter) in ein marktorientiertes Betätigungsfeld privater Unternehmen ergeben, verlangen nach Steuerungsmechanismen, die die neuen Marktmöglichkeiten nicht ersticken, sondern eine Überleitung der bisherigen Monopolmacht auf eine größere Zahl von Anbietern unterstützen, ohne daß neue Machtpositionen entstehen. Insbesondere zeigt sich das Problem, daß die auf ihren Kernmärkten hochmonopolisierten Energieversorgungsunternehmen nunmehr den Wettbewerb im Telekommunikationsbereich herstellen sollen.
Das Telekommunikationsgesetz des Bundes legt Telekommunikationsunternehmen in erheblichem Maß Rechtspflichten auf. Es wird die wirtschaftlich bedingte Konzentrationstendenz in dem bisher noch mittelständisch geprägten Markt der Internet Service Provider (ISP) [39] ebenso beeinflussen wie die freie Mailbox-Szene. Neben der Anzeigepflicht für die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen (§ 4 Satz 1 TKG) und der Berichtspflicht nach § 5 TKG in Verbindung mit der ONP-Richtlinie der EU [40] können für ISP besonders die Vorkehrungen zur Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit und die Vorschriften über die Gewährung eines Netzzugangs für die Sicherheitsbehörden ins Gewicht fallen, die gegebenenfalls zu nicht unerheblichen finanziellen Belastungen führen könnten (§§ 85ff. TKG). Lizenzpflichten für ISP können dagegen nur bestehen, wenn eigene Übertragungswege betrieben werden. Verpflichtungen, die ISP auch ohne den Betrieb eigener Übertragungswege treffen, können sich aus den Vorschriften nach §§ 33ff TKG über die besondere Mißbrauchsaufsicht, Schaffung offener Netzzugänge und die Zusammenschaltungspflichten ergeben. Weiterhin bleibt abzuwarten, inwieweit die Vergabe von Domain-Namen in der Top-Level-Domain DE oder anderen (neuen) Top Level Domains nach § 43 TKG von der Regulierungsbehörde übernommen und gegebenenfalls durchgeführt werden soll.
Die Begriffsbestimmungen in § 3 TKG definieren umfassend die Dienstleistungen, Tätigkeiten und Angebote, die erfaßt werden sollen. Nach § 3 Nr. 16 TKG ist "Telekommunikation" der "technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagen". Telekommunikationsanlagen sind definiert als "technische Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können" (§ 3 Nr. 17 TKG). Hierunter fallen die Geräte und Installationen, mit denen ISP den Datenaustausch bewerkstelligen, da über diese Systeme Signale gesendet, übertragen und empfangen werden. "Telekommunikationsdienstleistungen" sind definiert als "das gewerbliche Angebot von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für Dritte" (§ 3 Nr. 18 TKG). ISP bieten gewerblich, d. h. mit Gewinnerzielungsabsicht, den Zugang zu den Diensten des Internet an. Dabei handelt es sich um die Herstellung einer Möglichkeit zum Datenaustausch. ISP unterliegen daher den Vorschriften des TKG[41].
Nach § 4 Satz 1 TKG sind die Erbringer von Telekommunikationsdienstleistungen anzeigepflichtig [42]. Es bleibt daher auch für ISP und Mailboxbetreiber bei der bisherigen Rechtslage, nach der zumindest vom BMPT § 1a FAG bereits dementsprechend ausgelegt worden war [43].
Anbieter von TK-Dienstleistungen unterliegen weiterhin der Berichtspflicht nach § 5 TKG, die auf der Open Network Provision der EU basiert.
Lizenzpflichtig können ISP nur dann sein, wenn sie eigene, grundstücksüberschreitende Übertragungswege betreiben oder Sprachtelefondienst über IP-Leitungen anbieten. Unter "anbieten" ist dabei mehr zu verstehen als die bloße Möglichkeit der Nutzer, mittels entsprechender Soft- und Hardware die IP-Verbindung auch für Sprachtelefondienst zu nutzen. Ein Angebot des ISP liegt nur dann vor, wenn er insoweit besondere Dienste vorsieht, also beispielsweise eine Schnittstelle zum allgemeinen Telefonnetz, Sprachspeicherungssysteme oder besondere Leistungsmerkmale zur Qualitätssicherung bei Sprachverbindungen. Davon kann beim derzeitigen Stand der Entwicklung in Deutschland in aller Regel nicht ausgegangen werden.
Der ISP ist weiterhin zur Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorschriften verpflichtet. Die Kundendaten, auch die Daten über das Zustandekommen und Bestehen von Verbindungen, unterliegen dem Fernmeldegeheimnis. Im Gegensatz zu manchen Behauptungen sind diese Vorschriften auch strafbewehrt, da das Fernmeldegeheimnis auch für private Anlagenbetreiber in § 354 Abs. 3 Nr. 2 StGB strafrechtlich abgesichert ist [44] .
Spannende Fragen ergeben sich insbesondere aus der Abgrenzung zwischen der kurz vor Inkrafttreten des TKG erlassenen Teledienstunternehmen-Datenschutzverordnung (TDSV) und den datenschutzrechtlichen Vorschriften des TKG (§ 89 TKG). Es fragt sich bereits, inwieweit die TDSV nach Inkrafttreten des TKG noch Geltung hat. Weiterhin sind bestehende Widersprüche zwischen TDSV, TKG und TDDSG-E aufzulösen. Auf die hierzu aufgeworfenen Fragen wird eine weitere Seminararbeit eingehen (Thema 4).
Wer geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringt oder daran mitwirkt, ist nach § 85 TKG zur Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses verpflichtet. Es erstreckt sich neben dem Inhalt auch auf die Umstände der Kommunikation, also auf die Frage, ob und wann zwischen welchen Partnern eine Verbindung zustande gekommen ist (§ 85 Abs. 1 TKG). Kenntnisse vom Inhalt und den Umständen der Telekommunikation dürfen nur gewonnen und weitergegeben werden, soweit es zur Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderlich ist. Einer besonderen Geheimhaltungspflicht unterliegen die Betreiber von Funkanlagen (§ 86 TKG).
Die Betreiber von Telekommunikationsanlagen unterliegen besonderen, in einer Rechtsverordnung näher zu konkretisierenden Vorschriften über technische und sonstige Vorkehrungen zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses, des Datenschutzes, gegen unerlaubte Zugriffe, gegen Betriebsstörungen und gegen äußere Angriffe und Einwirkungen von Katastrophen (§ 87 TKG). Die Betreiber lizenzpflichtiger Telekommunikationsanlagen müssen dazu einen Sicherheitsbeauftragten bennen und ein Sicherheitskonzept erarbeiten. In der Rechtsverordnung, die die einzelnen Pflichten konkretisiert, ist nach § 87 Abs. 3 TKG eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung der jeweiligen Anlage bei der Festsetzung des Schutzniveaus möglich.
Betreiber von Telekommunikationsanlagen haben auf eigene Kosten eine Möglichkeit zur staatlichen Überwachung des Fernmeldeverkehrs einzurichten und den Behörden jederzeit einen Netzzugang zu gewähren (§ 88 TKG). Damit wird die frühere Möglichkeit ersetzt, auf die Fernmeldeanlagen der DBP im Wege der Amtshilfe zuzugreifen. Ein Recht zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs konstituiert diese Vorschrift nicht.
§ 90 TKG schreibt vor, daß TK-Anbieter der Regulierungsbehörde Zugriff auf ihre Kundendateien geben müssen. Die Kundendateien müssen Namen, Anschrift und Rufnummern aller Kunden enthalten, auch derjenigen, die nicht in öffentliche Kundenverzeichnisse eingetragen sind (§ 90 Abs. 1 TKG). Dabei ist sicherzustellen, daß diese Zugriffsmöglichkeit technisch so gestaltet ist, daß tatsächliche Zugriffe nicht registriert werden können (§ 90 Abs. 2 TKG). Auskünfte aus diesen Dateien werden den Sicherheitsbehörden nach § 90 Abs. 3 TKG von der Regulierungsbehörde jederzeit erteilt, soweit dies zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist. Die Zulässigkeit der Übermittlung wird durch die Regulierungsbehörde nur überprüft, soweit dazu "besonderer Anlaß besteht" (§ 90 Abs. 4 Satz 2 TKG). Wiederholte Verstöße gegen die Vorschriften können von der Regulierungsbehörde mit einer "Sperrung des Kundenstamms" belegt werden: dem betreffenden Unternehmen wird bis zur Erfüllung der Vorschriften untersagt, den Kundenstamm zu verändern (§ 90 Abs. 8 TKG).
Die Reichweite des § 90 TKG ist nicht ganz klar, weil die Regelungen auf "Rufnummern" Bezug nehmen. Daraus kann abgelesen werden, daß ihr nur Anbieter von Telefondiensten unterliegen. Während nämlich § 3 Nr. 10 TKG den Begriff "Nummern" sehr umfassend definiert, findet sich der Begriff "Rufnummern" nicht unter den Definitionen des § 3 TKG. Dieser Begriff ist daher mangels einer Legaldefinition nach dem allgemeinen Sprachgebrauch dahingehend auszulegen, daß es sich um Nummern für Telefonanschlüsse handelt. Andersartige Adressierungen sind daher nach dem Wortlaut nicht umfaßt, so daß keine Auskunftspflicht von ISP besteht. Dafür spricht auch der Regelungszweck der Vorschrift. Diese soll nach der Begründung des Gesetzes die bisherige Möglichkeit der Amtshilfe durch die DBP ersetzen. Amtshilfe durch die DBP konnte jedoch auch früher nicht hinsichtlich der Betreiber von Internet-Zugangsrechnern erfolgen. Eine Auskunftserteilung aus deren Kundendateien setzte auch früher eine Vernehmung des Betreibers als Zeuge voraus. Da § 90 TKG keine Erweiterung auf jede Art von Adressierungen in Telekommunikationssystemen zu entnehmen ist, verbleibt es bei einer Auskunftspflicht für Anbieter von Telefondiensten im Festnetz- und Mobilfunkbereich.
Der in § 89 TKG geregelte Datenschutz ist Gegenstand eines weiteren Referats.
Interessant wird die Frage sein, inwieweit die Regulierungsbehörde, die ISP untereinander oder ISP gegenüber marktstarken Telekommunikationsunternehmen versuchen werden, Zusammenschaltungspflichten durchzusetzen. Unter Zusammenschaltung ist die Bereitstellung von Netzknoten zu verstehen, an denen zwischen verschiedenen Telekommunikationsanbietern der Datenaustausch duchgeführt wird.
Das TKG sieht Vorschriften zur Herstellung von Zusammenschaltungsvereinbarungen und offenen Netzzugängen vor, deren Reichweite mangels Erfahrungswissen in der Praxis noch schwer abschätzbar ist. Vermutlich werden hierbei zunächst die Zusammenschaltungsvereinbarungen der Sprachtelefon- und Mobiltelefondienst-Anbieter im Vordergrund stehen. Immerhin ist auch für ISP von Interesse, daß große Online-Dienste bereits jetzt die Deutsche Telekom AG zur flächendeckenden Bereitstellung von Wählzugängen im Ortstarifbereich veranlassen konnten. Ebenso von zunehmender Bedeutung wird die Frage sein, inwiefern ISP gezwungen sein werden, ihre Netze zunehmend zu verflechten, um den problemlosen und möglichst effizienten Datenaustausch unter den Nutzern verschiedener Teilnetze herzustellen. Derzeit bestehen Querverbindungen zwischen einzelnen Netzen und zwischen privat-kommerziellen Netzen und den Wissenschaftsnetzen der Universitäten und Forschungseinrichtungen (also z. B. zwischen ISP und dem baden-württembergischen Universitätsnetz "BelWue" oder dem Deutschen Forschungsnetz, DFN). Bis vor wenigen Jahren wurden Daten von unmittelbar räumlich benachbarten Servern noch über Knotenrechnter in den USA ausgetauscht.
Unklar ist die rechtliche Situation auch bei der Vergabe von Domain-Namen. Die Registrierung von Internet-Domains stößt zur Zeit auf massive Schwierigkeiten aufgrund des erheblichen Andrangs kommerzieller Anbieter. Ein besonderes Problem stellen Schutz und Verwendung von (abgewandelten) Markennamen als Domain-Namen dar. Erste Urteile auch in Deutschland erkennen die Schutzbedürftigkeit von Trägern geschützter Namen auch beim Erwerb von Internet-Domain-Namen an [45]. Aufgrund der (derzeit noch) beschränkten Zahl sogenannter Top-Level-Domains (TLDs, z. B. *.DE, *.COM, *.EDU etc.) besteht die Schwierigkeit, daß es oftmals für eine Marke nur eine oder einzelne Möglichkeiten einer sinnvollen, intuitiv erschließbaren Registrierung gibt (MERCEDES-BENZ.COM, MERCEDES-BENZ.DE). In den USA ist bereits ein heftiger Streit über diese Frage entbrannt [46]. In Deutschland besteht Unzufriedenheit mit der Leistungsfähigkeit des DE-NIC, das die Second-Level-Domains (SLDs) unterhalb DE verwaltet.
§ 43 TKG sieht vor, daß die Numerierung von der Regulierungsbehörde durchgeführt wird. Angesichts der derzeit bestehenden Lage, in der das DE-NIC (Deutsches Network Information Center) von einem Zusammenschluß deutscher ISP mit der Durchführung der Domain-Verwaltung beauftragt ist, würde ein Entzug allerdings einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Freiheiten (Art. 2, 12 GG) darstellen. Eine Übernahme dieser Aufgabe durch die Regulierungsbehörde würde daher die Zustimmung der bisher die Vergabe organisierenden ISP voraussetzen.
Die Anwendung des TKG auf die "technische Seite" des Internet, also auf die Herstellung des Zugangs durch die ISP, wirft einige Auslegungsprobleme, aber vor allem eine Vielzahl praktischer Fragen auf und erzeugt für kleinere Provider einen hohen Kostendruck. Die Praxis wird zeigen müssen, ob weiterhin für Mailboxbetreiber und ISP nur von einer "komplizierten und unklaren Rechtslage" [47] gesprochen werden kann.
Das IuKDG ist nach seinem letzten Entwurfsstand [48] ein Artikelgesetz, dessen Artikel 1 als Entwurf des Teledienstegesetzes (TDG-E) Vorschriften über Rechte und Pflichten von Dienstanbietern und Nutzern von "Telediensten" enthält. Der Artikel 2, der Entwurf des Teledienste-Datenschutzgesetzes (TDDSG-E), enthält bereichsspezifische Datenschutzvorschriften für Dienstanbieter, die zum Teil deutlich strenger sind als die Vorschriften des TKG und der TDSV (vgl. etwa § 5 Abs. 2 TDDSG-E gegenüber § 4 Abs. 2, 5 Abs. 3 TDSV). In Artikel 3 findet sich der Entwurf für das Gesetz zur digitalen Signatur (SigG-E). Regelungen und Auswirkungen des TDDSG-E und des SigG-E werden in anderen Referaten diskutiert. Im weiteren regelt das IuKDG Änderungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, des Jugendschutzes, des Urheber- und Fernunterrichtsrechts und des Preisangabengesetzes, die hier ebenfalls nicht thematisiert werden.
Die im IuKDG-E enthaltenen bereichsspezifischen Gesetze werfen Abgrenzungsprobleme in mehrfacher Hinsicht auf und beleuchten die Probleme, denen der moderne Gesetzgeber bei der Regelung der digitalen Kommunikationsformen unterworfen ist. TDG-E und TDDSG-E sind in ihrem Anwendungsbereich sowohl gegenüber den Vorschriften des TKG als auch des Landes-Medienrechts (Rundfunkstaatsvertrag, Entwurf eines Staatsvertrag über Mediendienste, Pressegesetze) abzugrenzen.
Das Teledienste-Gesetz gilt für die Nutzung individuell erbrachter Online-Dienste. Der Anwendungsbereich ist in § 2 Abs. 1 TDG-E abstrakt umschrieben und in § 2 Abs. 2 TDG-E mittels der Regelbeispiel-Technik ("insbesondere") präzisiert. "Historisch" beruht diese Einteilung einerseits auf der sog. "Negativliste" der Rundfunkreferenten der Länder, aus der hervorgehen sollte, welche neuen Dienste nicht als Rundfunk anzusehen sein sollten [49], andererseits aus der Abgrenzung von Bundes- und Länderkompetenzen anhand der Trennlinie zwischen Individual- und Massenkommunikation, die ansatzweise aus der Gegenüberstellung von Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 GG entnommen werden kann. Das Geheimnis des Gesetzgebers bleibt bislang, inwiefern aus dieser Trennung auch eine Trennung der gesetzgeberischen Kompetenzen abgeleitet werden kann; bisher wurde in der Rechtswissenschaft vermutet, daß die dazu einschlägigen Vorschriften sich in den Artikeln 70ff GG verborgen hätten [50].
Aus den Regelbeispielen des § 2 Abs. 2 TDG-E wird deutlich, daß der Bund sich insoweit immerhin konsequent auf Dienste beschränkt, die entweder der Individualkommunikation zuzurechnen sind (Nr. 1) oder die starke Bezüge zur wirtschaftlichen Betätigung haben und nicht massenmedial verlaufen (Nrn. 2 bis 5). Fraglich bleibt allerdings, wie in einer immer mehr konvergierenden Welt der Telekommunikation diese Abgrenzungen handhabbar gemacht werden sollen. Hinsichtlich der Übertragungstechnik deutet alles darauf hin, daß der TDG-E sich ausschließlich auf "interaktive" Dienste bezieht, also nach bisheriger Diktion auf Abrufdienste, die in Online-Diensten oder im Direktzugriff (z. B. beim Telebanking) angeboten werden; Verteildienste, die dem Rundfunk zugeordnet werden, sind im TDG-E nicht genannt.
Unklar ist die Reichweite des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TDG-E ("Angebote zur Nutzung des Internets oder weiterer Netze"). Eine Auslegung, die die Anwendbarkeit auf sämtliche Angebote im Internet ausdehnt, würde den Rahmen des TDG-E sprengen. Vielmehr ist nach dem Wortlaut ("Nutzung") und dem systematischen Vergleich mit dem Regelungszweck des TDG-E im Ansatz davon auszugehen, daß die Nr. 3 sich auf Angebote von Zugangsanbietern (access provider) bezieht, also auf Unternehmen, die Kunden den Zugang zum Internet durch die Vermittlung der TCP/IP-Protokolle ermöglichen, ohne (zunächst) weitere Leistungen anzubieten [51]. Hinsichtlich dieser Anbieter ergibt sich aus den Regelungen des TDG-E nur, daß diese für Angebote, zu denen sie den Zugang vermitteln, nicht "verantwortlich" sind. Offen bleibt, ob die Vorschriften in dieser Form dem Bestimmtheitsgebot genügen.
Der TDG-E regelt die Zulassungs- und Anmeldefreiheit von Telediensten (§ 4), die Verantwortlichkeit für Angebote (§ 5) und die Anbieterkennzeichnung (§ 6).
Mit der Verankerung der Zulassungs- und Anmeldefreiheit hat sich der Gesetzgeber für ein äußerst liberales Regelungsmodell entschieden. Zwar wurde in der juristischen Diskussion wie auch im politischen Bereich längere Zeit darüber gestritten, ob Teledienste als rundfunkähnliche Kommunikation dem "Rundfunkregime" mit seinen strengen Regelungen zu unterwerfen seien [52]. Selbst von Verfechtern eines weiten Rundfunkbegriffs ließ sich jedoch kaum plausibel erklären, welche Gefahren für die öffentliche Meinungsbildung von elektronischen Datenbanken ausgehen könnten, die im derzeitigen Stadium mittels eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt (Zulassungszwang für Rundfunkveranstalter), konzentrationsrechtlicher Vorschriften (kein Alleineigentum an Rundfunksendern) oder ähnlich drakonischer Maßnahmen kontrolliert werden müßten. Der "positive Ordnungsrahmen", den das BVerfG für die Rundfunkveranstaltung insbesondere bei Beteiligung Privater verlangt [53], kann nicht unterschiedslos auf völlig neue, wesensmäßig andersartige Phänomene angewandt werden.
Andererseits ist nicht zu verkennen, daß die Einführung einer Technologie wie des Internet auf breiter Basis weitgehend ohne rechtliche Regulierung auch erhebliche Probleme aufwerfen kann.
Außerordentlich fraglich ist, wie sich die Anmeldefreiheit für "Angebote zur Nutzung des Internets und anderer Netze" nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 4 TDG-E mit § 2 Abs. 4 TDG-E in Einklang bringen läßt. Nach § 2 Abs. 4 gilt der TDG-E nicht für Telekommunikationsdienstleistungen und das geschäftsmäßige Erbringen von Telekommunikationsdiensten im Sinne des TKG. Oben [54] wurde jedoch festgestellt, daß ISP bei der Vermittlung des Zugangs zur Nutzung des Internet eine Telekommunikationsdienstleistung erbringen. Daher fragt sich, ob und wie sich die Anmeldefreiheit von Angeboten für die Internet-Nutzung nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 4 TDG-E auf die oben konstatierte Anzeigepflicht für Internet Service Provider nach § 4 TKG auswirkt. Da Angebote zur Zugangsherstellung dem TKG unterliegen, bleibt hinsichtlich des Angebots zur Nutzung des Internets die Anmeldepflicht nach § 4 TKG bestehen. § 4 TDG-E bewirkt daher bezogen auf Angebote nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 TDG-E nur, daß keine spezifische Anmeldepflicht nach dem TDG-E vorliegt. Er stellt darüber hinaus sicher, daß ISP nur insoweit anmeldepflichtig sind, als sie Telekommunikationsdienste nach dem TKG anbieten. Schließlich sind Zugangsanbieter, die sich Dritter zur Erbringung der Telekommunikationsdienstleistung bedienen, ebenfalls nicht anmeldepflichtig.
Die einzigen materiellen Pflichten, die der TDG-E bewirkt, sind die Regelungen zur "Verantwortlichkeit" (eine in ihrer Weite neue juristische Kategorie) und zur Anbieterkennzeichnung in den §§ 5 und 6 TDG-E.
Die "Verantwortlichkeit" für "Inhalte" ist abgestuft geregelt. Unterschieden werden eigene Inhalte, fremde Inhalte, die zur Nutzung vom Anbieter bereitgehalten werden, und fremde Inhalte, zu denen lediglich der Zugang vermittelt wird.
Für eigene Inhalte ist jeder Anbieter selbst voll verantwortlich (§ 5 Abs. 1 TDG-E). Für fremde Inhalte, die der Anbieter selbst zur Nutzung bereithält, ist er insoweit verantwortlich, als er von den Inhalten Kenntnis hat und es ihm technisch möglich und zumutbar ist, die Nutzung zu verhindern. Dem Anbieter kann also durch Mitteilung, in seinem Angebot befänden sich "unverantwortliche" Inhalte, auferlegt werden, diese zu entfernen oder zu sperren.
Nicht verantwortlich ist der Anbieter für fremde Inhalte, zu denen er lediglich den Zugang zur Nutzung vermittelt, auch wenn diese Inhalte automatisch und zeitlich begrenzt beim Anbieter selbst vorgehalten werden. Der Gesetzgeber zeigt sich also tolerant gegenüber der Internet-spezifischen Proxy-Server- und Cache-Technik, bei der Daten nach dem ersten Abruf aus dem Netz im eigenen Netzknotenrechner gespeichert werden, um weitere Abrufe ohne Beanspruchung des Gesamtnetzes und damit schneller und kostengünstiger zu beantworten.
Durch die Konstruktion der unklaren Kategorie der "Verantwortlichkeit" werden vielfältige Probleme aufgeworfen. Ungeklärt ist, ob Verantwortlichkeit sich auf die zivilrechtliche Haftung ebenso bezieht wie auf die strafrechtliche. Hinsichtlich der strafrechtlichen Haftung ist offen, ob die Kategorie der "Verantwortlichkeit" nach § 5 TDG-E ausreichen kann, um zu einer strafrechtlichen Verurteilung zu führen. Es könnte ein Verstoß gegen das Gebot des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) vorliegen.
Verwaltungsrechtlich, insbesondere im Sinne der Gefahrenabwehr, ist besonders bedauerlich, daß mit den dürren Wendungen des § 5 TDG-E kein Verfahren geschaffen worden ist, daß den Anbietern wenigstens ein gewisses Maß von Rechtssicherheit bei der Beurteilung von Inhalten verschafft. So ist zum Beispiel unklar, ob bereits die Mitteilung eines beliebigen Dritten, auf einem Server befänden sich strafbare oder sonst "unverantwortliche" Angebote, zur Herbeiführung der "Bösgläubigkeit" des Betreibers ausreichen. Sollte dies der Fall sein, bestehen erhebliche Gefahren für die Meinungsfreiheit. Ein chilling effect einer solchen Rechtslage ist nicht auszuschließen. Sie könnte nämlich dazu führen, daß Provider in der Furcht vor strafrechtlicher oder sonstiger Haftung Angebote schon auf Mitteilung beliebiger Dritter aus dem Angebot herausnehmen, um jedes Risiko zu vermeiden. Dies hätte zur Folge, daß Interessierte in der Praxis durch einfache Mitteilung die Unterdrückung mißliebiger Angebote erreichen könnten. Sinnvoller als die Vorschrift des § 5 TDG-E wäre daher die Einrichtung eines Selbstkontrollverfahrens gewesen, bei dem auch die Netzöffentlichkeit mitwirken könnte.
Auch die Vorschrift zur Anbieterkennzeichnung läßt Fragen offen. Im Zusammenhang mit § 3 Nr. 1 TDG-E läßt sich ihr nur entnehmen, daß derjenige, der eigene oder fremde Teledienste zur Nutzung geschäftsmäßig bereithält, zur Angabe von Name und Anschrift (eines Vertretungsberechtigten) verpflichtet ist. Damit bleibt unklar, ob diese Vorschrift nur den Betreiber des Servers erfaßt oder ob als Diensteanbieter auch der für das jeweilige Angebot eines "fremden Teledienstes" verantwortliche Dritte ist, der somit seinerseits kennzeichnungspflichtig wäre. Nicht kennzeichnungspflichtig sind jedenfalls solche Anbieter, die Teledienste nicht "geschäftsmäßig", also mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit, anbieten. Schließlich ist auch offen, wie die Anbieterkennzeichnung gestaltet sein muß. So fragt sich insbesondere, ob es genügt, eine "Impressum"-Seite anzubieten, oder ob aus jedem selbständigen Teil des Angebotes, also etwa jeder einzelnen Web-Seite, der Anbieter erkennbar oder jedenfalls die "Impressums"-Seite abrufbar sein muß.
Die weitere Bedeutung des TDG-E besteht darin, daß § 1 Abs. 1 TDDSG-E auf seine Begriffsdefinitionen zurückgreift. Die weiteren Artikel des IuKDG verwenden dagegen den Ausdruck "Informations- und Kommunikationsdienste", vermutlich, um auch Mediendienste nach der Diktion des MDStV-E und andere elektronisch übertragene Angebote (Digitaler Rundfunk, Telefonansagedienste u. ä.) einzubeziehen.
Der MDStV-E wird in der Anwendung noch größere Probleme aufwerfen als der TDG-E. Grund dafür ist zunächst vor allem die Einbeziehung von Fernseheinkaufssendungen in den Anwendungsbereich, die dafür sorgen wird, daß die Entleerung des kulturellen Programmbegriffs im Rundfunk weiter fortschreitet. Für die Angebote im Internet bringt der MDStV-E im wesentlichen keine größere Rechtssicherheit, sondern mehr Unsicherheit, wie die folgenden Ausführungen zeigen sollen.
Bund und Länder verfolgen mit dem parallelen Erlaß von IuKDG und MDStV das Ziel, den Kompetenzstreit über die Regelung der Neuen Dienste durch eine weitgehende Übereinstimmung im Wortlaut der neuen Vorschriften zu entschärfen. Die Herstellung eines Konsenses über die erforderlichen Regelungen ist jedoch zum einen bisher nicht gelungen; zum anderen ist fraglich, ob es sinnvoll ist, Regelungen mit verschiedenen Anwendungsbereichen (Individual- gegenüber Massenkommunikation sowie die dazwischen liegenden Grauzonen; interaktive Online-Medien gegenüber Verteildiensten) einheitlich zu regeln. Rechtsdogmatisch ist an einer solchen Übereinkunft zu zweifeln. Im Verfassungsrecht besteht das Verbot der Doppelqualifikation, das es ausschließt, daß eine Materie verschiedenen Kompetenzbereichen zugleich zugeordnet wird [55]. Es ist immerhin fraglich, ob bei Tele- und Mediendiensten zwei gegenständlich eindeutig getrennte (oder doch immerhin juristisch trennbare) Bereiche vorliegen, so daß kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelqualifikation vorläge.
Der Staatsvertrags-Entwurf geht von einem Regelungsmodell aus, für das ersichtlich Rundfunk- und Btx-Staatsvertrag (Btx-StV) Pate gestanden haben. Dies zeigt sich bereits im Geltungsanspruch des Staatsvertragsentwurfs: nach seinem § 1 erfaßt er "das Angebot und die Nutzung von Mediendiensten in Text, Ton und Bild, die unter Benutzung elektrischer Schwingungen (...) verbreitet werden und die nicht vom Rundfunkstaatsvertrag erfaßt werden". Die Negativabgrenzung führt zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Durch den Entwurf ist allenfalls klar, daß - nach Meinung des Gesetzgebers - Teleshopping (Nr. 1), Fernmeßdienste (Nr. 2), Abrufdienste (Nr. 3) und Textdienste (Nr. 4) neu und eigenständig geregelt werden sollen. Diese Dienste unterliegen zunächst nicht mehr dem Rundfunkbegriff, können aber, "wenn und soweit (sie) dem Rundfunk zuzuordnen sind" [56], einer Zulassung bedürfen. Es liegen somit zwei sich überlagernde Regelungsbereiche vor. Rundfunk und Mediendienste stehen zunächst nebeneinander. Dabei sind die Abgrenzungskriterien jedoch unklar: technische Kriterien scheiden aus, weil Mediendienste auch Verteildienste sein können. Es muß sich also um inhaltliche Kriterien handeln, die jedoch nicht näher erläutert sind. Sofern in Mediendiensten aber Inhalte übertragen werden, die "dem Rundfunk zuzuordnen sind", bedürfen diese Dienste einer rundfunkrechtlichen Zulassung. Unklar ist, inwieweit sie auch anderen rundfunkrechtlichen Vorschriften und der Aufsicht der Medienanstalten unterliegen.
Damit ist aber selbst in diesen Bereichen keineswegs Rechtssicherheit geschaffen. Gerade im bisher heiß diskutierten Bereich des Teleshopping wird die vermeintliche gesetzgeberische Klärung eher zu einer Verschlechterung der Rechtssicherheit führen. Hervorstechendes Merkmal des Entwurfs ist undifferenzierte Gleichbehandlung technologisch unterschiedlicher Regelungsbereiche. Nach dem Entwurf ist keine unterschiedliche Behandlung der voll interaktiven Online-Kommunikation gegenüber der "klassischen" One-to-Many-Kommunikation vorgesehen. Die im Ansatz richtige Differenzierung der Regelungsdichte wird dadurch entwertet, daß die entscheidende Aufgabe, tragfähige Abgrenzungskriterien zu entwickeln und darstellbar zu machen, vermieden wurde. Stattdessen wird versucht, die Grenzlinien durch eine wenig konsistente Kasuistik zu ziehen, die mehr Probleme aufwirft als sie löst.
Der MDStV-E unterscheidet, inhaltlich gleich mit dem TDG-E, zwischen Anbietern und Nutzern von Mediendiensten. Die Abgrenzungsschwierigkeiten, die der TDG-E aufwirft, sind daher auch bei der Auslegung des MDStV-E zu erwarten. Weitere Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen dadurch, daß der Staatsvertrag der Länder jedenfalls keine fernmelderechtlichen Regelungen treffen kann. Somit sind die in § 2 MDStV-E angesprochenen "Dienste" nicht als technische Dienste, sondern als inhaltliche Angebote zu verstehen.
Die Anbieterverantwortlichkeit ist ebenfalls gleichlautend geregelt wie beim TDG-E. Eine Erweiterung findet sich jedoch in der Anordnung eigenständiger Sanktionsmöglichkeiten in § 18 Abs. 2 und 3 MDStV-E, nämlich der Untersagung und der Sperrung von Angeboten durch die Aufsichtsbehörden.
§ 18 Abs. 2 und 3 MDStV-E sehen als Sanktionsmöglichkeiten für Veranstalter, die gegen die Vorschriften des MDStV-E verstoßen, die Untersagung des Angebotes und die Anordnung für dessen Sperrung vor. Beide Maßnahmen unterliegen einer ausdrücklichen Verhältnismäßigkeitsregelung (§ 18 Abs. 2 Satz 3 bis 5 MDStV-E). Verstöße gegen die §§ 6 Abs. 2 (Impressumspflicht), 7 Abs. 2 und 3 (journalistische Sorgfaltspflicht, Kennzeichnung von Meinungsumfragen), 10 (Gegendarstellungsrecht) und 12 bis 16 (Datenschutzvorschriften) sind nicht dieser Aufsicht unterworfen. Die §§ 12 bis 16 unterliegen der Aufsicht durch die allgemeinen Datenschutzbehörden und sind demgemäß nach den Kompetenznormen der Landesdatenschutzgesetze zu behandeln. Die übrigen genannten Vorschriften können im Wege des Wettbewerbsrecht marktkonform gesichert werden.
§ 18 Abs. 3 MDStV-E sieht vor, daß auch Angebote Dritter, die auf fremden Systemen gespeichert sind, gesperrt werden können, wenn eine Sperranordnung gegen den Dritten unwirksam oder undurchführbar ist. Damit versuchen die Länder, Sperrungen wie im Fall XS4ALL auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. An diesem Versuch ist allein zu begrüßen, daß damit die Kompetenz von den Strafverfolgungsbehörden an die allein zuständigen Polizeibehörden zurückgegeben wird. In der Praxis sind Sperrungen von Angeboten im Internet äußerst problematisch. Bei sehr geringem Nutzen gegen das inkriminierte Angebot verletzen sie in hohem Maß die Grundrechte Dritter, nämlich der unvermeidlich mitbetroffenen anderen Anbieter auf dem fremden Server und der an diesen harmlosen Angeboten interessierten Nutzer. Sie stören dabei auch das System des Internet empfindlich. Ihr realer Nutzen ist dagegen äußerst gering. Es wird abzuwarten sein, wie die Vorschrift in der Praxis angewendet werden wird. Insbesondere wird von technischer Seite zu klären sein, ob überhaupt eine Sperrung ohne Eingriff in das Fernmeldegeheimnis möglich ist, wie es § 18 Abs. 3 MDStV-E verlangt. Weiter ist auch fraglich, ob Sperrungen überhaupt technisch (sinnvoll) möglich und zumutbar sind.
Allerdings darf nicht übersehen werden, daß der MDStV-E nicht nur für Angebote im Internet gilt, sondern auch für andere technische Systeme, bei denen Sperrungen - auch für "fremde Anbieter" - unter Umständen mehr Sinn machen.
Auch Mediendienste sollen, nachdem in ersten Entwürfen noch eine Anmeldepflicht vorgesehen war, nunmehr anmelde- und zulassungsfrei sein. Hinsichtlich der Tätigkeit von ISP (bei denen allerdings bereits fraglich ist, ob sie überhaupt in den Anwendungsbereich des MDStV-E fallen) kann hinsichtlich der Reichweite der Anmeldepflicht nach § 4 TKG auf das oben zum TDG-E Gesagte verwiesen werden.
Auch nach dem MDStV-E (§ 6) unterliegen Anbieter einer Kennzeichnungspflicht. Iinsoweit kann nur mit Einschränkungen auf die Ausführungen zum TDG-E verwiesen werden. Ergänzend ist zunächst hinzuzufügen, daß zusätzlich zu der Frage, durch wen und in welchem Umfang ein Angebot zu kennzeichnen ist, hier noch die Frage entsteht, wie etwa Verteildienste, insbesondere Fernseheinkaufssendungen, der Kennzeichnungspflicht gerecht werden können. Der MDStV-E differenziert hier in keiner Weise zwischen Abruf- und Verteildiensten. Weiterhin verzichtet § 6 MDStV-E auf das Kriterium der "geschäftsmäßigen" Erbringung von Angeboten. Daher ist anzunehmen, daß die Kennzeichnungspflicht nach § 6 MDStV-E für jede Form von Angebot gilt, gleich ob von kommerziellen oder privaten Anbietern.
Weitergehende Rechtspflichten kennt der MDStV-E generell für "journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote". Angebote, die den Inhalt bestehender Presseerzeugnisse vollständig oder teilweise wiedergeben, sind zu einer weitergehenden Kennzeichnung unter Benennung eines "Verantwortlichen" verpflichtet (§ 7 Abs. 2 MDStV-E). Der Verantwortliche muß in der Bundesrepublik ansässig und gerichtlich verfolgbar sein (§ 7 Abs. 2 Satz 3 MDStV-E). Dieselbe strengere Kennzeichnungspflicht gilt für journalistisch-redaktionelle Angebote, in denen "in periodischer Folge Texte verbreitet werden".
Weitere, aus dem Presserecht übernommene Pflichten finden sich in § 7 Abs. 2 MDStV-E; diese Pflichten gelten für Verteildienste nach § 2 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 MDStV-E und für journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote. Auch hier ist der Anwendungsbereich hinsichtlich § 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MDStV-E unklar. Da diese Vorschriften voraussetzen, daß ein Angebot gerade nicht publizistischen Zwecken in Form der "Berichterstattung" dienen und Informationsangebote enthalten darf, ohne aus dem Anwendungsbereich des MDStV-E herauszufallen, läuft die Norm insoweit leer. Anwendbar ist sie, wie oben ausgeführt, allein auf Verteildienste wie Fernseh- und Radiotext (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 MDStV-E) und auf Abrufdienste nach Nr. 4.
Zur Auslegung der journalistischen Sorgfaltspflichten kann auf die presserechtliche Literatur zurückgegriffen werden.
Die Werbevorschriften des MDStV-E sind kurz gefaßt. Werbezeitbegrenzungen machen in Abruf- und Zugriffsdiensten (§ 2 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 MDStV-E) aus technischen Gründen keinen Sinn. Für Internet-Angebote beachtlich ist jedoch das Trennungsgebot, nach dem Werbung klar vom übrigen Angebot getrennt und als solche erkennbar sein muß.
Auch das Gegendarstellungsrecht nach § 10 MDStV-E ist weitgehend wortgleich mit Art. 7 Btx-StV [57]. Bedeutsam ist die Pflicht, die Gegendarstellung unmittelbar mit der Tatsachenbehauptung zu verknüpfen. Diesem Erfordernis kann im Internet durch eine Plazierung auf derselben Seite oder durch einen Link auf der Seite der Tatsachenbehauptung zu der Seite der Gegendarstellung Genüge getan werden. Nicht ausreichend ist dagegen ein Hinweis auf die Gegendarstellung auf einer gemeinsamen, übergeordneten Leitseite; bei einem solchen Hinweis bestünde im Internet die hohe Gefahr, daß Nutzer, die die Seite der Tatsachenbehauptung durch einen externen Link, etwa einer Suchmaschine, gezielt aufrufen, von dem Hinweis auf die Gegendarstellung überhaupt keine Kenntnis erlangen könnten.
§ 11 Abs. 1 MDStV-E konstatiert einen grundsätzlichen Anspruch auf Auskunftserteilung durch Behörden für journalistisch-redaktionell gestaltete Mediendienste (nach § 6 Abs. 2 MDStV-E). Dieses Recht wird in Absatz 2 den üblichen Kautelen unterworfen, darf also ein schwebendes Verfahren nicht beeinträchtigen, Geheimhaltungsvorschriften verletzen, auf entgegenstehende überwiegende öffentliche oder private Interessen stoßen oder das zumutbare Maß überschreiten.
Nach dem MDStV-E bestehen gestaffelte Verantwortlichkeiten und Pflichtenkreise für bestimmte Kategorien von Anbietern. Damit zieht der Gesetzgeber eine Konsequenz aus der Tatsache, daß vermittels eines Mediendienstes verschiedenste Arten von Inhalten übermittelt werden können und daß massenattraktive, mit hohem Aufwand hergestellte, presseähnliche Angebote größere Gefahren beinhalten als die individuellen, nur sporadisch oder überhaupt nicht aktualisierten Angebote einer Einzelperson. Zusammen mit der Aufwärtsklausel nach § 20 Abs. 2 RStV ergibt sich somit eine Abstufung der Regelungsdichte, die durchaus Sinn machen würde, wenn nicht die grundsätzliche Differenzierung der verschiedenen Dienste teilweise nach eher willkürlich erscheinenden und nur kasuistisch auflösbaren Abgrenzungskriterien erfolgen müßte. Bemerkenswert ist aber, daß die an sich gesellschaftlich wünschenswerten journalistisch-redaktionellen Angebote strengeren Anforderungen unterliegen als etwa Fernseheinkaufsdienste. Der MDStV-E ermöglicht in erheblichem Umfang Angebote der "kommerziellen Kommunikation", also Angebote von Wirtschaftsunternehmen, die ihre Absatzinteressen auf anderen Gebieten als dem der Medien fördern wollen (insbesondere Fernseheinkauf). Er läßt aber offen, welche Rahmenbedingungen für diese Angebote vor allem in Verteildiensten, aber auch in Abrufdienste wie dem Internet, gelten sollen.
§ 8 MDStV-E enthält im Gegensatz zum TDG-E umfassende Regelungen für unzulässige Angebote. Diese Vorschrift verbietet in der Art der Rundfunkgesetze und angelehnt an die entsprechenden Strafvorschriften volksverhetzende, die menschenwürde verletzende, kriegsverherrlichende, pornographische und sonst jugendgefährdende Inhalte. Problematisch dabei ist die unbedingte Geltung der Unzulässigkeit von nicht generell strafbaren Inhalten. Die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 5 MDStV-E bedeutet im Kern, daß in Mediendiensten Inhalte generell unzulässig sind, deren Angebot für Erwachsene in anderem Umfeld hingenommen werden würde. Unklar ist auch, ob in dem Bezug in Nr. 6 auf "Berichterstattung" eine Einschränkung der Geltungsreichweite zu sehen ist, ob die Norm also nicht anwendbar ist auf entsprechende Wiedergaben, die nicht der "Berichterstattung" dienen.
In Absatz 2 und 3 enthält § 8 MDStV-E Vorschriften über die Verbreitung von weniger bedenklichen Angeboten, die gleichwohl als jugendgefährdend angesehen werden. Derartige Angebote müssen in Verteildiensten nach § 2 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 MDStV-E zu Sendezeiten ausgestrahlt werden, zu denen Minderjährige sie üblicherweise nicht wahrnehmen, oder sie müssen in anderer Form gesichert sein. Dabei ist auch an die in digitalen Fernsehsystemen vorgesehene Möglichkeit der Software-Sperre zu denken. Sperrsysteme sind auch bei jugendgefährdenden Inhalten in Abrufdiensten nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 MDStV-E Voraussetzung für die Zulässigkeit.
In § 18 Abs. 1 MDStV-E sind die fachspezifischen Behörden für den Jugendschutz und den Datenschutz auch zur Aufsicht über Anbieter von Mediendiensten berufen. Darüber hinaus ist eine "allgemeine Aufsichtsbehörde" nach Landesrecht zu bestimmen. In Betracht kommen insoweit neben den fachlich berufenen Landesmedienanstalten auch das in Baden-Württemberg für die Aufsicht über Btx vorgesehene Innenministerium mit der Kompetenz, diese Aufgabe zu delegieren (im Fall Btx an die Regierungspräsidien)[58]. Die letztgenannten Lösung hätte den Nachteil, daß die oben skizzierten Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Rundfunk und Mediendiensten noch dazu zu einem Kompetenzgerangel mit der jeweiligen Landesmedienanstalt führen könnten.
Insgesamt ist zu befürchten, daß angesichts der bevorstehenden komplexen Regelungsprobleme die Handlungsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden zu gering sind. Vor allem die umfangreichen Probleme, die der Schutz vor rechtswidrigen Angeboten und die freiwillige Selbstkontrolle durch die Anbieter von Mediendiensten aufwerfen, bedürfen einer fundierten Begleitung durch eine handlungsfähige Aufsichtsbehörde.
[40] Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste duch Einführung eines offenen Netzzugangs (Open Network Provision - ONP), ABl. EG Nr. L 192 S. 1; siehe unter http://www.ispo.cec.be/ infosoc/legreg/docs/90387eec.html
[41] zur früheren Rechtslage vgl. BVerfGE 46, 120; auch Mailboxen waren nach § 1a FAG nach Auffassung des BMPT als Fernmeldeanlagen anmeldepflichtig (Typoskript des BMPT vom 7. 6. 1994)
[42] vgl. Eberle, Regulierung, Deregulierung oder Selbstregulierung? Aktuelle Regelungsprobleme bei Online-Diensten, in: Festschrift für Engelschall, Nomos (Baden-Baden) 1996, S. 153ff, 155f.
[43] s. o. B. I. 2. a)
[44] Sieber, Cyberlaw, S. 311
[45] LG Mannheim, Urt. vom 8. 3. 1996, 7 O 60/96, NJW 1996, 2736, zur Verwendung der Domain HEIDELBERG.DE.
[46] vgl. dazu die Webseiten von name.space, einer Firma, die versucht, eine völlige Öffnung der Vergabe von Top-Level-Domains zu erreichen (http://namespace.pgpmedia.com) und des Internet Ad Hoc Committee (http://www.iahc.org), einer semi-offiziellen Gruppe unter der Dachorganisation der Internet Society (http://www.isoc.org). Vgl. auch Shaw, Robert, Internet Domain Names: Whose Domain is This?, (http://www.itu.ch/intreg/dns.html), Berater bei der International Telecommunication Union (ITU)
[47] Sieber, Cyberlaw, S. 318
[48] Entwurf vom 8. 11. 1996, der soweit bekannt vom Kabinett verabschiedet wurde und jetzt ins Gesetzgebungsverfahren geht. Siehe http://www.iid.de/rahmen/iukdg.html
[49] Funk-Korrespondenz Nr. 45 vom 10. 11. 1995, S. 35
[50] diese These kann durchaus als h. M. bezeichnet werden; vgl. z. B. Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 70; Jarass, Hans D., Regelungsspielräume des Landesgesetzgebers im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung und in anderen Bereichen, NVwZ 1996, S. 1041
[51] So auch die mündliche Auskunft des Rundfunkreferenten des Staatsministeriums Baden-Württemberg, 15. 11. 1996.
[53] st. Rspr, vgl. nur BVerfGE 12, 205; 31, 314; 57, 295; 73, 118; 74, 297; 83, 238
[54] unter C. I. 1., Anwendbarkeit des TKG auf Internet Service Provider
[55] Jarass, NVwZ 1996, 1401; BVerfGE 67, 299 (321) = NJW 1985, 371
[56] § 20 Abs. 2 Satz 1 RStV
[57] dazu Bartl, Art. 7 Btx-StV; zum presserechtlichen Gegendarstellungsrechts vergleiche Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, S. 133ff.; Löffler, Presserecht, § 11
[58] § 6 Abs. 1 Gesetz zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland, vom 19. November 1991, GBl. S. 745